Gedanken zum Erinnern an den 1. Weltkrieg

In den vergangenen Wochen wurde immer wieder an den Ausbruch des Ersten Weltkrieges erinnert. Vor allem stand die politische und die militärische Entwicklung im Vordergrund. Erst allmählich richtet sich der Blick der Erinnerung weg von einer von Heldentum und Siegermentalität geprägten Sichtweise hin zu den Opfern dieses Krieges – den Gefallenen, den Verwundeten, den Hungernden, den obdachlos Gewordenen, den heimatlos Gewordenen. Sie zählen oft zu den vergessenen Schicksalen und werden so ein zweites Mal „geopfert“ – nämlich auf dem Altar des Vergessenes und Verdrängens. Wie anders würde Geschichte erzählt und vermittelt werden, wenn wir die Geschichte sozusagen von unten betrachten würden, aus der Perspektive der kleinen Leute, die immer diejenigen sind, auf deren Kosten alles abläuft. Wieviel mehr würde die Sinnlosigkeit und die Perspektivelosigkeit solcher Unterfangen deutlich werden, wenn wir auf das Leiden der Menschen schauen.

Die Älteren unter uns könnten so eine Leidenserinnerung sicher erzählen, denn wenige werden den Zweiten Weltkrieg als Sieger erlebt haben. In den Blick geraten würde das Zerschlagene, Zerronnene, Zerstörte, in den Blick geraten würden Schmerz und Leid und Trauer. Im Leiden wären viel mehr Menschen vereint als in der Großartigkeit des Siegers. Im Blick auf das Leiden wären auch heute noch die Völker im Krieg vereint, die sich feindlich gegenüberstehen: Israelis und Palästinenser, Ukrainer und Separatisten, Iraker und Islamisten. …

Allerdings setzt das voraus, dass wir uns alle nicht mehr mit dem „Siegen“ und dem „Gewinnen“ identifizieren, sondern uns in unserer Begrenztheit, in unserem Leiden, in unserer Bedürftigkeit und auch Schwäche annehmen. Und das wäre wohl der Quantensprung, der notwendig ist. Vielleicht kann das Erinnern dieser Tage ein Anlass dafür sein?!

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