Eine ungewöhnliche Weihnachtsgeschichte – 3. Teil

Hier nun der dritte und letzte Teil meiner erweiterten Weihnachtsgeschichte:

Josef und Jesus

Wieder kommt ein Bote des Höchsten. Wieder – nun schon zum dritten Mal – kommt er des Nachts, im Traum. Wieder verkündet er den nächsten Schritt heraus aus dem Eingewohnten. „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter …!“ Wieder sieht es nach heimlicher Flucht aus, nächtlicher Aufbruch, wie einst das Volk Israel aus selbigem Land. Wieder ein Aufbruch in die Freiheit, die einen Namen trägt: Nazareth. Ein kleines Dorf, wohl keine 200 Einwohner. Abseits aller bekannten Städte. Vielleicht (so die Archäologen 2000 Jahre später) mit einem Befestigungsturm auf den Hügeln, die rund um die wenigen Häuser liegen. Wer hier lebt, wird wohl von allen außerhalb der wenigen Häuser übersehen. Die Freiheit der kleinen Familie ist die Freiheit der Unscheinbaren, der Unbeachteten, der Menschen am Rande.
Da gibt es nichts, wogegen man sich auflehnen könnte oder müsste. Man will es sich ja schließlich mit niemandem verderben, man ist auf den anderen angewiesen, man hält zusammen. So verlaufen die Jahre ohne jede erwähnenswerte Aufregung, nichts stört die (beschauliche? die Friedhofs-?) Ruhe. Woher auch sollte der Anstoß kommen zu etwas Ungewöhnlichem, Ungewohnten, Irritierendem?
Der Anstoß kommt auch nicht in Nazareth. Der Anstoß kommt in Jerusalem, der Hauptstadt, dem religiösen Zentralort und er kommt zur religiösen Zentralzeit. Am Paschafest, dem Fest des Aufbruches, des Aufbruches aus dem Sklavenhaus Ägypten hin zur Freiheit. Das Fest der Befreiung löst in diesem Jahr den Sohn vom Vater. Das Fest der Befreiung lässt den Sohn die Bande zum Vater lockern und auch die Grenzen der eigenen Religiosität überschreiten. Der Bub stellt Fragen. Der Bub stellt das Überkommene, Tradierte, das so selbstverständlich Gewohnte in Frage. Im Fragenstellen zeigt der Bub Widerstand gegenüber den schnellen, allzu schnellen Antworten. Ist dieser fragende Widerstand ein Widerhall der Fragen, die sein Vater etliche Jahre vorher vielleicht gestellt hatte einem nächtlichen Besucher? Der Bub fordert zur Antwort heraus – und das wird er Zeit seines Lebens immer wieder tun. So wird er zum Zeichen, dem widersprochen wird.
Der Vater – jetzt namenlos im Evangelium – hat seine wichtigste Aufgabe erfüllt. Er kann sich in die Anonymität zurückziehen. Von nun an geht es um den Sohn. Es ging schon immer um den Sohn. Aber ohne den Vater, ohne Josef, wäre Jesus nicht geworden, was er ist: einer, der auf die Stimme des Höchsten hört und sich der Stimmen der weniger Bedeutenden (auch wenn sie sich anders vorkommen) widersetzt. Der das Unscheinbare achtet und das leicht zu Übersehende hoch hebt. Der den äußeren Weg, den Josef auf den Spuren seines Volkes gegangen ist, im inneren und am eigenen Leib vollzieht: hinein in das Land des Todes und hinaus in das Land der Lebenden. Der Sohn Jesus wird den Weg seines Vaters Josef radikaler gehen, entschiedener, schonungsloser gegenüber anderen und gegenüber sich selber. Und noch am Ende dieses Weges taucht die Widerstandskraft auf, die väterlich ererbte und im Leben verfestigte: „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen!“ und nochmals grundsätzlicher die Klage und Anklage: „Mein Gott, wozu hast du mich verlassen!“ Ultimativer Widerstand dann in der „Höllenfahrt“ Jesu, als er im Widerstand gegen alle Todesmacht, von dort, dem Land des Todes, die dort Versklavten, die „armen Seelen“ herausführt in das Land des Lebens.

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