Religiosität im Alter

Nachdenken über eine Seniorenseelsorge der Zukunft

Ich habe neulich einen Podcast vom Schweizerischen Rundfunk gehört zum Thema: „Warum glauben immer weniger an Gott?“ Darin wurde beschrieben, dass die Religiosität von Menschen von Generation zu Generation geringer wird. Das schlägt sich nicht nur im Kirchgang nieder, sondern auch im religiösen Wissen und in der Weitergabe des Glaubens. Da sind jetzt schon die Kirchen gefragt, etwa im Religionsunterricht und auch im gemeindlichen Angebot für Kinder diese Lücken zu füllen.

Ich denke schon mal einen Schritt weiter: was bedeutet dieser Befund für die zukünftige Seniorenarbeit der Kirchen und Pfarreien?

Die Bindungskräfte werden abnehmen; es wird noch weniger selbstverständlich sein, dass Ältere in einen Seniorenkreis gehen (das tun sie jetzt schon sehr viel später als in früheren Zeiten); es wird sich als noch notwendiger erweisen, die Senior*innen anzusprechen; wir können nicht darauf vertrauen, dass das Alter das Beten lehrt; wir können schon gar nicht darauf setzen, dass diese Menschen zu uns als Kirche kommen. Wir müssen raus – und zwar frühzeitig! Und zwar jetzt!

Ich denke, wir sollten uns viel früher/ jetzt schon für die Lebenswelt der Menschen ab der Lebensmitte, also der künftigen Senior*innen interessieren. Welche Lebensfragen beschäftigen die 50-60-Jährigen? Welche Perspektiven tun sich für diese Menschen auf gegen Ende ihrer Arbeitsphase? Worin finden sie Sinn und Erfüllung? Wie geht es denen, die in prekären Situationen leben? Wie denen, die nur einen erschwerten Zugang zur Gesundheitsvorsorge haben? Die nicht zur bildungsaffinen Mittelschicht gehören? Schließlich: was wissen wir als Kirche von deren Spiritualität? Von ihren Hoffnungen und Ängsten, von ihren Fragen und ihren Träumen?

Natürlich wird es hoffentlich/ sicher auch das ausgesprochen religiöse Angebot geben: Gottesdienste, Glaubensgespräche, Exerzitien für Menschen ab der Lebensmitte. Es wird weiterhin die Seniorenkreise geben mit einem hoffentlich breiteren Angebot als dem gemütlichen Beisammensein (das ich nicht gering schätze). Aber Seniorenseelsorge wird vielleicht/ hoffentlich mehr am Puls der Menschen in ihrem Alltag sein. Ich stelle mir offene und niederschwellige Begegnungsmöglichkeiten vor. Seniorenseelsorge wird sich auch mehr vernetzen, um mit anderen zusammen zu wirken auf vielen Ebenen (Versorgung, Pflege, Ämter, Nachbarschafthilfen etc.) – und dabei die spirituelle Dimension der Menschen einbringen. Sie wird sich vernetzen auch mit Ehrenamtlichen, damit das Netz auch die erreicht, die nicht im Fokus von Kirche stehen.

Das alles (und noch viel mehr) sind notwendige Schritte. Und doch auch Vor-arbeiten. Notwendige Vor-arbeiten, damit der Zugang für die Menschen offen und sichtbar bleibt für die spirituellen Fragen, die kommen angesichts von Lebensreflexion, von Sinnfragen, von Lebensbewältigung mit den Fragen von Versagen, von Schuld, von Vergebung, von Beziehungsklärungen usw. Die offen ist und sichtbar bleibt für die Erfahrung des Göttlichen, für die Deutung von Leben im Licht des Göttlichen, für die Begegnung, die Räume für solche Erfahrungen ermöglicht.

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