Es gibt in Deutschland eine ganze Menge Menschen, nämlich 16,1 %*, die von Armut bedroht oder schon erfasst sind. Als arm gilt dabei, wer weniger als 60% des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat, das sind für einen Alleinstehenden 979 € pro Monat. Die Folgen sind gravierend: etwa 5% der Menschen können sich die Miete kaum leisten, etwa ebenso viele nicht, ihre Wohnung angemessen zu heizen. Für etwa 32 % sind unerwartete Ausgaben (etwa für eine Reparatur) nicht zu stemmen. Ungefähr 22 % können es sich nicht leisten, eine Woche Urlaub außer Haus zu machen. Frauen sind in allen Altersgruppen mehr von Armut betroffen als Männer, Senioren sind (noch) von allen Altersgruppen am wenigsten von Armut bedroht. Das wird sich freilich in den kommenden Jahren ändern.
Die Ursachen für Armutsgefährdung und Armut sind natürlich vielfältig. Schlechte Ausbildung, lange Arbeitslosigkeiten, Krankheiten sind wohl die häufigsten Ursachen, im Alter dann die geringe Rente (etwa durch Kindererziehungszeiten oder durch Verwitwung).
Eine Frau hat mal erzählt, wie sie mit ihrem Geld um die Runden kommt. Mit ihrem Mann lebt sie von 720 € Hartz IV. Die Wohnung wird ihr durch Wohngeld bezahlt. Wegen einer chronischen Erkrankung kann sie seit einigen Jahren nicht mehr arbeiten, ebenso ihr Mann. So ist sie darauf angewiesen, Sonderangebote ausfindig zu machen, etwa bei Kleidung oder Nahrung. Sie leistet sich ein Handy für den Kontakt zur Tochter, die weit weg wohnt. Ein Besuch bei ihr ist lediglich einmal im Jahr möglich, das Geld für die Fahrt muss sie sich über Monate hinweg zusammensparen. Dankbar ist sie für den Essensgutschein der Pfarrei, der ihr ermöglicht, Wurst und ab und zu mal Fleisch zu kaufen. Die Tafel oder der Rot-Kreuz-Laden bieten ihr die Gelegenheit, billig einzukaufen. Einmal im Monat leisten sich die beiden, ins Cafe zu gehen, ansonsten ist die „gesellschaftliche Teilhabe“ (damit meint man Kino- oder Theaterbesuche, Beteiligung in Vereinen oder auch die Pflege von Hobbies) sehr eingeschränkt. Sie sagt, sie wolle nicht auf Kosten anderer leben, aber eigene Möglichkeiten seien krankheitsbedingt sehr beschränkt und werden sich auch in Zukunft nicht verändern können.
Eine solche Krankheitsarmut schon in relativ jungen Jahren setzt sich dann im Alter fort, denn da fehlen die Beitragszeiten und die Beitragszahlungen. Wenn dann noch der Partner stirbt und aus einem geregelten Einkommen eine Witwenrente wird, bricht die finanzielle Sicherheit endgültig und unwiderruflich zusammen. In meinen Gesprächen wurde auch deutlich, dass Armut in der Stadt ein größeres Problem darstellt als auf dem Land. Grund dafür seien die Mietzahlungen.
Armut ist beschämend. Armut versteckt sich. Armut braucht gute Augen, um wahrgenommen zu werden. Etwa wenn jemand nicht mehr bei Gruppen oder Veranstaltungen auftaucht. Oder wenn – wie eine Seniorenbeauftragte sagte – die Kleidung abgetragen wirkt (obwohl der frühere Chic noch zu erkennen und in Erinnerung ist). Oder wenn man nicht mehr in die Wohnung eingelassen wird (etwa beim Caritassammeln). Man geniert sich, Hilfe, die durchaus vorhanden und möglich ist, in Anspruch zu nehmen.
Hilfe? Vielleicht von außen: etwa durch die Seniorenbeauftragten, die an andere Stellen, etwa Herrn Burger vom Landratsamt verweisen können. Oder durch jeden Einzelnen, wenn er die Menschen, die bei uns arm sind, erkennt und Kontakt sucht.
* Alle Zahlen vom Statistischen Bundesamt, Lebensbedingungen und Armutsgefährdung