Warten
Die ersehnte, erhoffte Erfüllung dauert. Es zieht sich hin. Aber die Erfüllung ist schon ahnbar, greifbar.
Menschen verbringen in ihrem Leben viel Zeit mit dem Warten. Wir warten auf den Bus, wir warten auf das Ergebnis einer Prüfung, wir warten auf schönes Wetter … Worauf haben Sie schon gewartet?
Im Lateinischen heißt warten: „exspectare“. Das setzt sich zusammen aus: ex = hinaus und spectare = schauen: hinausschauen, Ausschau halten. Wartende Menschen halten Ausschau nach dem Erwarteten. Sie suchen nach Anzeichen für die Ankunft des Erwarteten.
Welche Gefühle verbinden Sie mit dem Warten? Das kommt sehr darauf an, worauf Sie warten.
- Jugendliche warten auf die Volljährigkeit, den Führerschein. Da ist es wohl Freude; Freude auf die erweiterte Selbständigkeit, die neue Eigenverantwortung, die neue Wirkmächtigkeit.
- Man wartet auf den Freund, die Freundin. Da ist das Ende des Wartens ungewisser als bei einem Datum wie dem 18. Geburtstag. Da wird es am Anfang des Wartens eine große Freude geben, dann eine wachsende Ungeduld. Dann vielleicht (wenn sich die Ankunft hinauszögert) ein Bangen, eine Unsicherheit. (Bin ich am richtigen Ort? Stimmt die Zeit?) Noch später kommen Zweifel auf und im schlimmsten Fall eine Enttäuschung.
- Kranke Menschen warten. Beim Arzt gibt es ein eigenes Wartezimmer. Das Wartezimmer beim Arzt ist kein Sehnsuchtsort. Man weiß im Wartezimmer nicht, wann man drankommt, hofft aber: bald. Das Wartezimmer beim Arzt ist auch kein reiner Hoffnungsort. Die Hoffnung auf eine günstige Diagnose mischt sich mit der Sorge und der Angst vor einer schlechten Diagnose.
- Alte Menschen warten auf den Tod. Manche sehen im Tod den Erlöser. Bei anderen ist viel Angst dabei. Vielleicht auch Verzweiflung. Trauer.
Bei keinem anderen Wort als dem Warten ist der Zeitaspekt so spürbar. Was machen Sie mit und in Ihrer Wartezeit? (Wie) verkürzen Sie das Warten? Nutzen Sie es für die Arbeit, für Spielen oder Kontakte am Handy? Lassen Sie die Zeit auf sich wirken, weil im Moment alles zur Ruhe kommen kann? Und sich der Blick, die Sinne generell auf anderes richten kann?
Aber irgendwann ist das Warten zu Ende. Sei es, weil das Erwartete eingetreten ist, sei es, weil wir uns damit abfinden, dass es nicht mehr kommt.
Der Advent ist eine Wartezeit. Kinder warten aufs Christkind. Erwachsene warten auf eine friedliche Stimmung, dass das Geschäftige und das Organisieren an ein Ende kommt, dass Ruhe einkehrt.
Auch Menschen der Bibel warten. Sie warten auf ein göttliches Wort der Verheißung. Sie warten darauf, dass sich die göttliche Verheißung erfüllt. Christen der ersten Generation erwarten die baldige Wiederkunft Christi. (Phil 3, 20)
Im Psalm 130, 5ff heißt es: „Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele, ich warte auf sein Wort. Meine Seele wartet auf den Herrn, mehr als Wächter auf den Morgen, ja mehr als Wächter auf den Morgen. Israel, warte auf den Herrn, denn beim Herrn ist die Huld. Bei ihm ist Erlösung in Fülle.“
Der greise Simeon (Lk 2, 22ff) wartet auf das Heil. Im Tempel sieht er dieses Heil in dem kleinen Kind Jesus. Sein Warten kommt an sein Ziel.