Impuls zu Weihnachten 2025

Erfüllung

Endlich! Heiliger Abend. Ein letztes Mal Hochspannung. Dann: Kinderleuchten in den Augen!

Das Sehnen, das Hoffen, das Warten und Suchen kommt an ein Ende. Bisher war Zukünftiges im Blick. Jetzt richtet er sich auf das Gegenwärtige.

Wie hat es sich angefühlt, als ein lang gehegter Wunsch von Ihnen in Erfüllung gegangen ist? Z. B. eine Reise, die Sie schon immer gerne machen wollten? Was haben Sie dabei empfunden? Wie schauen Sie von heute auf diese Wunscherfüllung zurück?

Ich erinnere mich sehr viele Jahre zurück an eine ganz arme Familie, die einen Tisch gebraucht hat, sich aber keinen kaufen konnte. Ein Nachbar hat ihnen überraschend einen Tisch geschenkt. Welch ein Glück für diese Familie! Und noch lange Zeit war auch der Schenkende präsent bei den Mahlzeiten, saß – bildlich gesprochen – mit am Tisch. Und auch ich erinnere mich an diese Familie und ihre Überraschung und ihr Glück.

In der Erfüllung steckt die Fülle drin. Kein Mangel, kein „zu wenig“, nicht nur ein bisserl. Fülle. Fülle des Lebens.

Was stellen Sie sich unter „Fülle des Lebens“, unter einem „Leben in Fülle“ vor? Was gehört für Sie dazu? Und was ist zweit- oder drittwichtig?

Fülle des Lebens ist etwas anderes wie Überfluss. Kein noch so großer Reichtum und Luxus kann einen Mangel beheben, wenn er auf einer ganz anderen Ebene, etwa der von zufriedenen Beziehungen, liegt. Und auch umgekehrt: noch so viele glückliche Beziehungen können den Mangel einer wirtschaftlichen Not nicht zudecken.

Fülle des Lebens ist auch etwas anderes als ein angefülltes Leben. Ein voller Terminkalender bedeutet noch lange nicht, dass das Leben erfüllt ist. Eher im Gegenteil.

Erfüllung: das Wort markiert eine Veränderung. Das Leben verändert sich – sei es im Großen oder im Kleinen. Eine Sehnsucht wird gestillt, kommt zur Ruhe. Bewegungen kommen zur Ruhe. Lebensbewegung kommt zur Ruhe. Wenn Kinder ihre Wünsche zu Weihnachten erfüllt sehen, werden sie ruhig, friedlich. Erwachsene auch. Zufriedenheit.

Bei den ganz großen Wünschen (Frieden in der Welt, Gerechtigkeit für alle, Gesundheit etc.) wird sich dieses Gefühl von Frieden, von Zu-frieden-heit wohl nicht einstellen. Auch im Privaten wird an keinem anderen Tag der Mangel so spürbar, so leidvoll, so schmerzhaft erfahrbar wie an Weihnachten. Alleinsein, Einsamkeit, Verlassenheit tut an diesem Tag besonders weh.

Jesus sagt: Die Zeit ist erfüllt. Gottes Reich ist da. Mit ihm selber – so glauben die Menschen damals, so glauben wir Christen heute – ist Gott selber auf die Welt gekommen. Nicht in Macht. Nicht mit Gewalt (wie es heute so manche fundamentalistisch und totalitär Denkende [und vielleicht auch Glaubende] sagen und vertreten in ihrem Kampf für eine Macht von rechten Weißen und gegen andere). Sondern empathisch, solidarisch, heilend, versöhnend. So kommt Gott zur Welt, zu uns.

Wir sind daran beteiligt. Wir können sein „Ich bin da“ sichtbar und spürbar machen:

Wo Heilung geschieht, kommt Krankheit an ein Ende.

Wo Versöhnung geschieht, kommt Streit und Unfriede an ein Ende.

Wo Solidarität geschieht, kommt Ungerechtigkeit an ein Ende.

Wo Verbundenheit erfahrbar wird, kommt Einsamkeit an ein Ende.

Im Großen und viel häufiger noch im Kleinen (wenn auch nur vorübergehend).

Erfüllung: das Wort markiert ein Ende. Was kommt danach?

Ein Neues fängt an.

Alles beginnt mit der Sehnsucht

Alles beginnt mit der Sehnsucht,

immer ist im Herzen Raum für mehr,

für Schöneres, für Größeres.

Das ist des Menschen Größe und Not:

Sehnsucht nach Stille, nach Freundschaft und Liebe.

Und wo Sehnsucht sich erfüllt,

dort bricht sie noch stärker auf.

Fing nicht auch Deine Menschwerdung, Gott,

mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?

So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen,

Dich zu suchen,

und lass sie damit enden,

Dich gefunden zu haben.

Nelly Sachs (1891-1970)

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