Impuls zum 4. Advent 2025

Suchen

Warten hat etwas Passives an sich. Der Wartende tut nichts, um das Ende des Wartens herbeizuführen. Es gibt aber eine Alternative. Sie wird uns im Buch Das Hohe Lied vorgestellt (Hld 3). Es schildert eine junge Frau, die auf den Geliebten wartet. Und als ihr das Warten zu lange dauert, macht sie sich auf und sucht ihn. Frau wird aktiv.

Dieses Bibelwort macht deutlich, worum es beim Suchen geht: sich aufmachen, sich in Bewegung setzten, aktiv werden. Es geht aber natürlich auch viel banaler, alltäglicher:

Ich hatte vor vielen Jahren mal meinen Schlüsselbund verloren. Da war ich ganz schön verzweifelt. Weil der Schaden groß gewesen wäre. Und weil das kurz vor Ostern war, konnte ich nicht dort suchen, wo ich ihn (nach langem Überlegen) vermutet hatte. In einem Einkaufszentrum, das natürlich über Ostern geschlossen hatte. Wie froh war ich dann, dass mir am Dienstag der gefundene Schlüssel ausgehändigt worden war. Einschließlich des Namens der ehrlichen Finderin.

Sie kennen sicher auch dieses ganze Gefühlschaos: erst ein Erschrecken; dann ein fieberhaftes Nachdenken; dann immer hektischeres Suchen und schließlich die Erleichterung, wenn das Gesuchte auftaucht.

Suchen – ein Wort, das Bewegung ausdrückt. Es kommt vom althochdeutschen Wort suohhen = vorangehen (vom Jagdhund, der die Fährte des Wildtieres aufgenommen hatte). An der Fährte erkennt der Hund unter vielen anderen Spuren das gesuchte Tier und folgt ihm mit dem Jäger im Schlepptau.

In einer Predigt über den Schatz im Acker hatte ich mal in einer kleinen Kiste voller Erde einen Schatz versteckt. Ein Bub sollte ihn suchen. Er hatte aber keine Vorstellung davon, was das für ein Schatz war. So hat er die Erdkartoffel (wenn auch nicht von mir beabsichtigt!) immer übersehen.

Erdkartoffel. Foto: Michael Tress

Man muss also eine (wenigstens ungefähre) Vorstellung von dem haben, was man sucht.

Was haben Sie neulich mal gesucht? Die Brille? Eine Notiz? Eine Erinnerung? Sie haben sich sicher immer aufgemacht und überlegt: Wo ist das Gesuchte? Wo kann ich es finden? Begleitet war das Suchen mit Sorge und im Finden mit Erleichterung.

Das Wort „suchen“ steckt in einigen Wortverbindungen. Dazu gehört nicht die Suchterkrankung. (Da kommt das Wort Sucht von siechen = krank sein.) Aber die Suche steckt z.B. in der Sehnsucht. Oder auch im Wort Besuch. Früher sagte man dazu auch Heimsuchung (Mariä Heimsuchung etwa).

Ein Besuch löst in der Regel Freude aus – schon beim Ausmachen erwächst die Vorfreude. Ein Besuch schafft Begegnung. Ein Besuch verfestigt die Freundschaft. Anders als am Telefon oder in den sozialen Medien können wir uns dabei gegenseitig mit allen Sinnen wahrnehmen. Es wird intensiver, inniger.

An Weihnachten besucht uns Gott. Besucht Gott die Gott-sucher. Man erkennt ihn dann, wenn die Augen und Ohren offen sind und nicht von eigenen Vorstellungen verstellt sind. Gott besucht uns nicht im Großen, Überwältigenden (das wird eher selten sein). Gott besucht uns im Kleinen, Unscheinbaren, leicht zu Übersehenden. Als kleines Kind in einem schäbigen Stall.

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