Beim Erntedankfest sagen wir in der Tradtion eines bäuerliches Festes „Danke“ für die Ernte. Unsere Vorfahren hatten noch das Bewusstsein, dass eine gute Ernte nichts Selbstverständliches ist, sondern von vielen Faktoren abhängt, die wir nur sehr bedingt beeinflussen können. Die moderne Agrartechnik hat uns davon ein gutes Stück unabhängiger gemacht und eigenes Handeln bekam zunehmend mehr Gewicht.
Umgekehrt hat sich unser gesamtgesellschaftliches Leben auch vom rein Bäuerlichen wegentwickelt. Industrie, Handel und Dienstleistungen bestimmen sehr viel mehr den Berufsalltag vieler Menschen. Auch gebrochene Arbeitsverhältnisse und Verarmung gehören zur heutigen Realität und rücken immer wieder ins Bewusstsein.
Welchen Platz kann da das Erntedankfest haben? Ist das noch der Schöpfergott, der unsere Lebensmittelversorgung bestimmt? Wem können wir denn danken – und wofür?
Ich meine, wir haben Grund zur Dankbarkeit, wenn wir den Blick weiten: auf unsere Beziehungen hin, auf die Gesundheit hin, auf Zufriedenheit und Glück. Gestern hat mir eine alte Dame gesagt, sie sei dankbar, dass sie in der Früh aufstehen kann und abends ein Bett hat zum Schlafengehen. Diese Aussage lenkt den Blick auf das so selbstverständlich Gewohnte – in diesem Fall: das Bett. Oder: das Wasser – das Dach über dem Kopf – den Teller, auf dem mein Essen liegt – den Pullover, der mich wärmt …
Die Menschen in Not zeigen mir, dass es auch anders gehen kann. Dass es bei mir nicht anders ist, ist nicht (nur) mein Verdienst. Es ist auch „Glück“, „Schicksal“, „Zufall“. Danke an „Glück“, „Schicksal“, „Zufall“.
Ich sage lieber: Danke an Gott, den ich in allem und hinter allem sehe oder vermute oder ahne.