In gut zwei Wochen feiern wir wieder das Fest „Mariä Himmelfahrt“.
Das mit dem „Himmel“ ist ja seit etlichen hunderten von Jahren schwierig geworden. Das alte, zu biblischer Zeit gültige Weltbild existiert nicht mehr. Wir können nicht mehr an einen „Ort“ denken. Wir können nicht mehr in den Schemata von oben und unten denken. Wir müssen „Himmel“ in seiner theologischen, seiner spirituellen Qualität denken: als Ausdruck für das Göttliche, für Gott.
Aber auch der Glaube, dass wir nach unserem Tod bei Gott sind, ist schwierig geworden. Dass wir bei Ausgrabungen Knochen finden, deutet ja grade eben nicht auf eine „leibliche Aufnahme in den Himmel“ hin. Mehr als die Hälfte der Katholiken glauben nicht an ein „ewiges Leben“. „Wiedergeburt“ ist die Option – und das ist etwas völlig anderes. Das jetzige Leben verliert dadurch seine Einzigartigkeit und gewinnt die Chance der Wiederholung (wenn auch vielleicht im anderen Gewand). Auch der Tod verliert dadurch vielleicht seinen Schrecken als endgültige Zäsur.
Ist also „Mariä Himmelfahrt“ ein anachronistisches, aus der Zeit gefallenes Fest?
Ich will es mal aus der (vermuteten) Perspektive von Sterbenden angehen: Menschen äußern oft den Wunsch, schmerzfrei, angstfrei und begleitet zu sterben. Selbst wenn man zum Zeitpunkt des Todes allein ist, möchten viele doch in der Zeit davor andere, vertraute Menschen um sich haben. Die aber können höchstens bis an die Grenze des Lebens mitgehen und begleiten. Im Tod trennen sich die Wege. Da könnte die Vorstellung, dass auf der „anderen Seite“ der Schwelle ein Begleiter/ eine Begleiterin wartet, tröstlich sein. Ein Begleiter/ eine Begleiterin: das kann, muss aber nicht Maria sein als erste, die von den Toten auferweckt wurde. Das kann auch ein Familienmitglied oder eine Freundin sein. „Maria“ wäre dann vielleicht ein Synonym für diese andere(n) Person(en).
„Maria“ könnte auch den Zielpunkt markieren: wie sie werden wir bei Gott sein. Mit „Gott“ verbinden viele Christen die Vorstellung eines menschenfreundlichen, barmherzigen, in die Vollendung hinein führenden Gottes. Diese Vorstellung kann viel Angst nehmen, Angst vor dem Tod und der ewigen Verdammnis. (Eine Untersuchung bei Senioren hat übrigens gezeigt, dass sie ihren Glauben verändern können – immer in Richtung eines gnädigen Gottes. Allerdings unter der Voraussetzung einer freundlichen Begleitung).
„In die Vollendung hinein“ drückt dabei eine der großen Sehnsüchte menschlichen Lebens aus: dass das Bruchstückhafte, das Menschen in ihrem Leben erfahren, „ganz und heil“ wird.
Das Fest „Mariä Himmelfahrt“ wirft also ein Licht auf menschliche Hoffnung nach einer Vollendung in und durch Gott. Das ist der Zielpunkt menschlichen Lebens, von dem her jetzt schon zu leben wäre. Es könnte zu einem starken Zeichen werden in dieser so bruchstückhaften Welt. Es könnte zu einem Impuls für die Versöhnung werden mit den je eigenen Bruchstücken. Es könnte eine bergende Kraft entfalten für die Ängstlichen, Geplagten und Isolierten. Es könnte in seiner Widerspenstigkeit ein Aufruf werden für die Seelsorger, menschen- und lebensfreundliche Begleiter zu werden.