Monthly Archives: April 2020

2020 ohne Palmsonntag?

Heute ein Tag ohne Gottesdienst und ohne Prozession. Keine Segnung von Palmbuschen, die dann im Herrgottswinkel das ganze Jahr über hängen. Dieses Fehlen, diese Leer-stelle, diese Lücke wird uns noch lange an die Zeit der Corona-Erkrankung erinnern.

Es ist ja oft so, das gerade die Lücke sichtbar und spürbar macht, was eigentlich wichtig ist, aber oft als selbstverständlich hingenommen wird. Erst wenn das fehlt, erkennt man die Bedeutung – sei es die eines bestimmten Menschen, sei es die einer Arbeit, sei es die Bedeutung der Gesundheit etc. Die Lücke, die Leer-stelle zu spüren, ist etwas anderes als sie zu denken. Die leere Kirche zu erleben, drin zu sitzen (alleine) berührt alle Sinne: keinen Gesang, kein Gebet zu hören; niemanden zu sehen; keinen anderen neben sich spüren; keinen Weihrauch zu riechen; die Kommunion nicht zu schmecken.

Also  ist gerade das Fehlen der Palmbuschenweihe, der Prozession, des Gottesdienstes eine Chance, über deren Wichtigkeit nachzudenken. Und das nicht nur am Palmsonntag, sondern an jedem Tag der „Heiligen Woche“.

Na – das Wichtige schon entdeckt?

Für mich ist es das: ein Messias zeigt sich anders, als man es erwartet. Ein Messias ist kein Herrscher, sondern ein Opfer. Das Heil erweist sich im Leiden – und zwar im durchstandenen Leiden. Eigentlich: nach dem durchstandenen Leiden.

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„Lieber Gott, ich hab Angst.“

„Lieber Gott, ich hab Angst. Kannst Du was machen? Bitte.“

Das stand auf einem Zettel, den ein achtjähriges Mädchen namens Patrizia an unseren Erzbischof geschickt hat. Er lag am letzten Sonntag beim Fernsehgottesdienst mit Kardinal Marx in einem Korb mit lauter Bitten oben auf.

Mich hat diese Bitte in ihrer Schlichtheit berührt. Drei kurze Sätze, kein Wort zu viel.

Zuerst ihre (Patrizias) eigene Situation, ihr Gefühl von Angst. Ich weiß natürlich nicht, wovor Patrizia Angst hat. Aber ihr Gefühl, das teilen wohl viele Menschen in dieser Zeit. Sie haben Angst vor Ansteckung, Angst vor Erkrankung, Angst vor Isolation. Aber auch sonst gibt es mannigfache Angstmöglichkeiten: ein Unfall, eine Arbeitslosigkeit, ein Beziehungsabbruch, ein Versagen, ein schlechtes Zeugnis …

„Kannst Du was machen?“ Da hat das Mädchen nichts Konkretes formuliert, sondern Raum gelassen für das, was Gott machen möchte. Erwachsene neigen oft dazu, was ganz bestimmtes zu erbitten. Das Mädchen lässt es unbestimmt. Die Angst zu nehmen – die Angst zu besänftigen – einen guten Begleiter in der Angst zu schicken – die Ursache der Angst zu beseitigen …

„Bitte.“ Höflich, nicht fordernd, ohne Anspruch auf Verwirklichung.

Jesus ermutigt die Menschen, Gott zu bitten. Er selber hat viel mehr gebeten als gedankt. Er sagt in der Einleitung zum Vaterunser, wir bräuchten keine großen Worte machen (Mt 6,7).

Einfach und kurz – wie Patrizia.

Danke, Patrizia!

 

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Corona und die Schuldfrage

Heute morgen bin ich über mehrere Meldungen gestolpert mit einer ähnlichen Stoßrichtung:

Manche Politiker stellen die Frage nach der Schuld. Sie machen dafür (wechselnde) ausländische Mächte verantwortlich oder bestimmte Personengruppen. Bezeichenderweise stellt niemand die eigene Lebens- und Wirtschaftsweise in Frage.

Offenbar brauchen wir für die großen und kleinen Katastrophen und Krisen im Leben immer einen „Schuldigen“. Auf den kann man dann mit dem Finger zeigen und ihm die Ursache zuschreiben. Der „Sündenbock“ (übrigens ein alttestamentliches Motiv in Lev 16) erlaubt es uns, von uns selber wegzuschauen und ihm alles Fehlverhalten aufzuladen. Dann wird er „in die Wüste geschickt“. So auch im alttestamentlichen Ritual am Versöhnungstag.

Was mit dem Tier geschieht, geschieht auch mit den menschlichen Sündenböcken. Man schickt ihn in die Wüste, man verdrängt ihn (in die Wüste) man distanziert sich von ihm, man spaltet ihn und das Fehlverhalten ab. Das erlaubt es den Menschen, selbst als „rein und unschuldig“ dazustehen.

Die Frage nach dem Schuldigen eignet sich hervorragend dazu, ein Feindbild aufzubauen. Feindbilder wiederum eignen sich hervorragend dazu, die eigenen Reihen zu schließen und interne Kritik zu unterdrücken. Geschlossenheit scheint das Gebot der Stunde gegenüber der „Bedrohung“ von außen.

Meistens bringt aber die Schuldfrage keine Lösung. Im Gegenteil: sie verhindert es, nach Auswegen und Alternativen zu schauen. Sie verengt sozusagen den Blickwinkel. Man sieht nicht mehr den Handlungsspielraum und auch die Handlungsnotwendigkeiten. Gerade in Zeiten dieser Pandemie wäre es jedoch m. E. notwendig, auf „Schuldige“ und „Feindbilder“ zu verzichten und global zusammenzuwirken, um den Coronavirus einzudämmen. Denn die Probleme sind ja überall – weltweit – die gleichen.

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Seniorenverbände fordern eine Weltaltenkonvention

Ich habe die Pressemitteilung der Bagso bekommen, in der diese eine Weltaltenkonvention fordern. Hier die Stellungnahme der bagso:

Die BAGSO – Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen fordert die Bundesregierung und die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, die nächsten Schritte zur Verabschiedung einer Konvention zur Stärkung der Rechte Älterer einzuleiten. In einer Stellungnahme heißt es, eine Weltaltenkonvention der Vereinten Nationen müsse die universellen Menschenrechte aus der Perspektive älterer Menschen konkretisieren. Ziel ist es, den rechtlichen Schutz Älterer weltweit zu stärken und damit ihre Teilhabemöglichkeiten, ihre soziale Lage und ihren Schutz in verletzlichen Lebensphasen zu verbessern.

Die BAGSO plädiert gemeinsam mit Seniorenverbänden aus Europa und der Welt seit mehr als zehn Jahren für die Verabschiedung einer Weltaltenkonvention. In der Stellungnahme „Eine Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte älterer Menschen“ benennt sie nun zentrale Aspekte einer künftigen Vereinbarung. So sollten die nationalen Gesetzgeber dazu verpflichtet werden, ein Verbot der Diskriminierung aufgrund des Lebensalters für alle Lebensbereiche gesetzlich zu verankern. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in allen Lebensbereichen ist sicherzustellen, dass Menschen auch ohne die Nutzung digitaler Medien Zugang zu Gütern und Dienstleistungen haben. Zugleich stellt die BAGSO klar, dass ältere Menschen nicht per se vulnerabel und schutzbedürftig sind. Auch das Recht auf Autonomie, Partizipation und Empowerment soll in der Konvention festgeschrieben werden.

Die Stellungnahme der BAGSO wurde anlässlich der 11. Sitzung der Offenen Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen in New York verfasst. Aufgrund der Corona-Pandemie kann das viertägige Treffen mit Vertretern aus zahlreichen Ländern im April jedoch nicht wie geplant stattfinden. Vertreter der Zivilgesellschaft fordern einen alternativen Termin für die Sitzung, um die Beteiligung älterer Menschen und ihrer Vertretungen zu garantieren.

Zusätzlich zu der Offenen Arbeitsgruppe wird die Menschenrechtslage Älterer weltweit durch eine Unabhängige Expertin der Vereinten Nationen überprüft. Der UN-Menschenrechtsrat hat Dr. Claudia Mahler zur Nachfolgerin der Chilenin Rosa Kornfeld Matte ernannt. Mahler ist seit 2010 beim Deutschen Institut für Menschenrechte beschäftigt und engagiert sich seit über zehn Jahren für die Stärkung der Rechte Älterer im In- und Ausland.

Hier der Link zu dieser Stellungnahme:

Stellungnahme „Eine Konvention der Vereinten Nationen für die Rechte älterer Menschen“

 

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Tag der Senior*innen am 1. April

Heute ist der Tag der Senior*innen. Ein Anlass, sich das vielfältige Leben der Seniorinnen und Senioren vor Augen zu führen.

Immer wieder begegnet mir ein Altersbild, das vom Blick auf die Defizite geprägt ist. Man sieht viel schneller und leichter, was nicht mehr geht, wo es Einschränkungen gibt, was schwerer ist als in jungen Tagen. Das stimmt – und ist doch nur der eine Teil der Wirklichkeit.

Senioren sind auch höchst aktiv und kreativ. Etwa wenn es um die Gestaltung dieser langen Lebensphase geht. Etwa ein Viertel bis ein Drittel der Lebenszeit ist die des „Alters“. Und die beginnt meist nicht mit einer Pflegebedürftigkeit, sondern mit Gestaltungswillen und Potenzial. Viele erfüllen sich jetzt lange zurückgeschobene Träume und Wünsche. Manche engagieren sich ehrenamtlich, etwa als Besuchsdienst, in der Pfarrei, in Vereinen, in der Nachbarschaft. Manche genießen auch den „wohlverdienten Ruhestand“. Also Lebensgenuss statt getakteter Tagesablauf.

Natürlich rückt mit zunehmendem Alter auch die Gebrechlichkeit in den Blick. Verschleißerscheinungen und Krankheiten bleiben nicht aus, bis hin zur Pflegebedürftigkeit. Da tauchen auch Fragen auf, die man sich in früheren Jahren nicht gestellt hat und auch nicht zu stellen brauchte: Was kann aus mir noch werden? Was kann ich noch tun? Habe ich mein Leben „richtig“ gelebt (und was wäre der Maßstab dafür)? Kann ich noch etwas verändern, wieder gut machen?

Auch Glaubensfragen stellen sich anders. Was kommt nach dem Leben hier? Gibt es Gott wirklich? Wird er mich annehmen? Dazu gibt es ein gestiegenes Interesse an weiteren religiösen Fragen, etwa nach dem Leid der Welt, nach dem Verständnis der Bibel, nach der Entwicklung der Kirche etc. Immer wieder biete ich solche Fragerunden an, immer wieder freue ich über derartige Fragen.

Bei all dem haben Senioren wenigstens teilweise große Lust am Gespräch – nicht nur, weil sie einsam wären, sondern auch weil sie wollen, dass ihr Leben gehört wird. Sie haben ja schließlich viel erlebt und haben etwas zu erzählen. Sie wollen auch, dass ihr Leben bezeugt wird. Eine fast 90-jährige Frau hat mir mal gesagt: „Daran musst Du Dich erinnern!“

Also alles in allem: eine lange, eine spannende, eine vielfältige Lebensphase mit sehr interessanten Menschen.

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Impuls zum Palmsonntag 2020

Für die Impulse zur Fastenzeit 2020 nehme ich die alttestamentlichen Lesungen des diesjährigen Lesejahres A her. Das ist am Palmsonntag Jes 50, 4-7.

Das Buch Jesaja gliedert sich in drei große Teile: der erste Teil geht wohl auf Jesaja selbst zurück, der vor dem Exil in Babylon wirkt. Seine Botschaft wird dann während des Exils aufgegriffen und weitergeführt, vom sog. 2. oder Deuterojesaja. Eine letzte Erweiterung erfährt das Buch dann nach dem Exil durch den sog. 3. oder  Tritojesaja.

Deuterojesaja komponiert vier sog. Gottesknechtslieder. Wer dieser „Knecht Gottes“ ist, ist jedoch unklar. Es könnte sich um den Propheten selbst handeln, es könnte auch das Volk Israel gemeint sein, oder eine fiktive Gestalt. Jedenfalls keiner, den man gerne anschaut, kein glänzender Promi, keiner mit großem Ansehen. Er ist ein ziemlich zerschundener Mensch, „seine Gestalt war nicht mehr die eines Menschen“ (52,14). Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut“ – so steht es im 4. Gottesknechtslied (Jes 53, 3). Er wurde geschlagen und angespuckt, er ist Opfer von Gewalt und Brutalität.

Die Lesung zum Palmsonntag ist das 3. Lied. Da entdecke ich etwas Erstaunliches: Der Knecht Gottes, dieser von Menschen so hart behandelte Mann, wird von Gott nicht etwa einer Schonung unterzogen. Er wird nicht aus dieser furchtbaren Situation und Behandlung herausgeholt. Ihm wird vielmehr das Ohr geweckt und geöffnet, ihm wird die Zunge gelöst, damit er die Müden höre und dann stärke durch ein aufmunterndes Wort.

Der Gottesknecht steht eindeutig auf der Seite der Opfer, auf der Seite derer, die sich mit dem Leben abmühen, die vielleicht wie er unterdrückt und verachtet werden. Ihnen gilt seine frohe Botschaft, dass auch Gott auf der Seite der Opfer steht – so dass es am Ende, im 4. Gottesknechtslied heißt: „Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht.“ (Jes 53, 11).

Am Ende steht also nicht Untergang und Vernichtung, das Leid der Opfer von Gewalt und Unterdrückung.

Am Ende steht das göttliche Licht.

 

 

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