Corona und die Schuldfrage

Heute morgen bin ich über mehrere Meldungen gestolpert mit einer ähnlichen Stoßrichtung:

Manche Politiker stellen die Frage nach der Schuld. Sie machen dafür (wechselnde) ausländische Mächte verantwortlich oder bestimmte Personengruppen. Bezeichenderweise stellt niemand die eigene Lebens- und Wirtschaftsweise in Frage.

Offenbar brauchen wir für die großen und kleinen Katastrophen und Krisen im Leben immer einen „Schuldigen“. Auf den kann man dann mit dem Finger zeigen und ihm die Ursache zuschreiben. Der „Sündenbock“ (übrigens ein alttestamentliches Motiv in Lev 16) erlaubt es uns, von uns selber wegzuschauen und ihm alles Fehlverhalten aufzuladen. Dann wird er „in die Wüste geschickt“. So auch im alttestamentlichen Ritual am Versöhnungstag.

Was mit dem Tier geschieht, geschieht auch mit den menschlichen Sündenböcken. Man schickt ihn in die Wüste, man verdrängt ihn (in die Wüste) man distanziert sich von ihm, man spaltet ihn und das Fehlverhalten ab. Das erlaubt es den Menschen, selbst als „rein und unschuldig“ dazustehen.

Die Frage nach dem Schuldigen eignet sich hervorragend dazu, ein Feindbild aufzubauen. Feindbilder wiederum eignen sich hervorragend dazu, die eigenen Reihen zu schließen und interne Kritik zu unterdrücken. Geschlossenheit scheint das Gebot der Stunde gegenüber der „Bedrohung“ von außen.

Meistens bringt aber die Schuldfrage keine Lösung. Im Gegenteil: sie verhindert es, nach Auswegen und Alternativen zu schauen. Sie verengt sozusagen den Blickwinkel. Man sieht nicht mehr den Handlungsspielraum und auch die Handlungsnotwendigkeiten. Gerade in Zeiten dieser Pandemie wäre es jedoch m. E. notwendig, auf „Schuldige“ und „Feindbilder“ zu verzichten und global zusammenzuwirken, um den Coronavirus einzudämmen. Denn die Probleme sind ja überall – weltweit – die gleichen.

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