Die Wanderbewegungen Mariens

Im bald anbrechenden Advent spielt das Motiv der „Heimsuchung Mariens“ (das meint den Besuch Marias bei Elisabeth) und das der „Herbergssuche“ eine herausragende Rolle in vielen Adventskonzerten und Andachten. Meist scheint mir das reichlich verklärt und idealisiert zu sein. Beide Wanderbewegungen finden sich übrigens im Lukasevangelium.

Die anfänglich schwangere Maria geht zu Fuß „übers Gebirge“ und besucht ihre Verwandte Elisabeth. Gerade am Anfang einer Schwangerschaft ist das eine unglaubliche Belastung für die werdende Mutter und das ungeborene Kind. Als Motivation für diese Wanderung erscheint mir die Solidarität der beiden Frauen in ihrer ungewöhnlichen Schwangerschaft – die eine arg spät, die andere arg früh. Maria unterstützt die Ältere bis zur Entbindung, dann geht sie wieder heim – sie selbst im 6. Monat.

Anschließend macht sie sich auf den Weg nach Bethlehem – der Volkszählung wegen (das ist der äußere Anlass). Der innere, theologische Punkt ist jedoch die Erfüllung einer Prophezeiung, nach der der Messias aus der Davidsstadt – und das ist Bethlehem – kommt. Auch dieser Weg führt durch Gebirge. Auch dieser Weg ist zu Fuß zurückzulegen. Auch dieser Weg ist lang und beschwerlich.

Im Matthäusevangelium wird von der Flucht nach Ägypten berichtet. Auch das ein langer Weg – entweder durch die Wüste oder an der Küste entlang. Das war sicher eine Wanderung unter dem Aspekt der Bedrohung, der Verfolgung, der Unsicherheiten, vielleicht auch unter Verpflegungsschwierigkeiten. Das ganze als junge Familie mit einem neugeborenen Baby.

Als Seniorenseelsorger habe ich bei diesen Geschichten auch die Wege vor Augen, die heutige Senioren schon gegangen sind: Es waren manchmal Wege von Flucht und Vertreibung, viele Kilometer lang, zu Fuß, unter der Bedrohung von Krieg, Verfolgung, Gewalt, Plünderung und Raub. Es waren Wege voller Erschöpfung, voller Trauer, voller Verluste, voller Unsicherheiten. Es waren auch Wege mit der Erfahrung von Solidarität, gegenseitiger Hilfe und Unterstützung, gegenseitiger Ermutigung.

Ich finde es eine sehr passende Gelegenheit, bei Adventskonzerten und „staaden“ Stunden, solche heutige Lebenserfahrungen (auch aktueller Wanderbewegungen) in die Besinnung mit einzubeziehen. Dann bekommt die biblische Geschichte Aktualität und Dynamik.

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