Der fünfte Fastensonntag ist der sog. „Passionssonntag“. Immer stärker kommt das Leiden in den Blick. Bei Jesus das menschengemachte Leiden, das in Demütigung und Folter, schließlich der Hinrichtung besteht. Das gibt es heute auch noch. Hinrichtungen und Folter bei uns zwar nicht, aber Demütigung gibt es auch bei uns. Manchmal in so ganz kleinen Dosen: ein Blick von oben herab, ein Augenverdrehen, ein schräges Lächeln, eine blöde Bemerkung. Steigerungsmöglichkeiten inbegriffen bis hin zu Diskriminierungen, Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, etc.
Um etwas anderes handelt es sich bei der „Demut“. „Demut“ ist eine innere Haltung und nicht von außen auferlegt. Demut weiß um die eigenen Grenzen, die eigene Beschränktheit, die eigene Fehlerhaftigkeit. Ein demütiger Mensch hält sich nicht für den Nabel der Welt und nicht für die Krone der Schöpfung. Ein demütiger Mensch nimmt sich nicht zum Maßstab, nach dem er alles andere und noch weniger alle anderen beurteilt.
Jetzt hat das Wort „Demut“ in den letzten Jahren eine unglaubliche Inflation erlebt. Oft taucht es bei Politikern auf oder bei Managern : man nimmt Wahlergebnisse „in Demut“ an, man bekennt öffentlich „in Demut“ Fehler, man nimmt ein Urteil „in Demut“ an …. Wenn ich mir solche Äußerungen und die Menschen, die sie tun, anschaue, spüre ich allerdings wenig von dieser Demutshaltung. Folgender Satz, den ich in Wikipedia gefunden habe, zeigt, was sich hinter dieser Art von „Demut“ verbirgt: „Demut wird als erlernbare Tugend angesehen, die auf drei Ebenen messbare Erfolge bringt“ (nämlich für die Mitarbeitenden, das Unternehmen und die eigene Führungsqualität). Es geht also heute bei der Demut um die Optimierung von Erfolg. Damit wird Demut zu einer Strategie, zu einer Taktik, zu einem Instrument des Managements. Für mich sternenweit von der ursprünglichen Bedeutung „dienstwillig“ (so der Duden) eines Gemütes (ahd. muot), das um die eigene Kleinheit (die Stelle als Diener) weiß – im Gegensatz zum Hochmut. Vielleicht kommt das Wort „Bescheidenheit“ diesem ursprünglichen Sinn am nächsten.
Dienstwillig ist eine Haltung, die wir auch bei Jesus erkennen. Er hat sich in den Dienst Gottes an den Menschen gestellt, er hat sich in den Dienst der Schwachen, Kranken, Ausgeschlossenen, Abgehängten gestellt. Durchaus nicht immer „demütig“ im Sinne von „sanft“ oder „harmlos“, sondern kämpferisch, konfliktbereit, massiv im Auftreten. Aber eben nicht um seiner selbst willen, sondern um der anderen Menschen willen. Auch um den Preis der Demütigung am Ende.