Seniorinnen im Garten

Wenn ich mit Seniorinnen ins Gespräch komme und sie erzählen, was sie gerne tun, dann sind wir häufig beim Garten angelangt. Sie erzählen dann von den Blumen und den Nutzpflanzen, der Freude am Blühen, dem Beobachten von Vögeln und Bienen, auch von der Mühe des Ausgrasens oder des Schneidens. Die „grobe“ Arbeit des Rasenmähens oder des Heckenschneidens bleibt oft den Männern. Die Frauen sind für die feinfühligeren Arbeiten zuständig, wir Männer scheinen dafür weniger geeignet (Ausnahmen gibt es natürlich, aber ich gehöre nicht dazu).

Die Theologin Maaike de Haardt zitiert in ihrem Buch „Das Fenster nach Süden“ den Autor Norvene Vest mit dem Ausdruck „tender competence“ – etwa übersetzbar mit „sanfte Kompetenz“. Vest beschreibt damit die Fähigkeit der Frauen, Leben im Garten zu gestalten. So werden die Frauen zu einem Beispiel, sich nicht in völliger Hilflosigkeit und Ohnmacht aufzugeben, andererseits aber auch dafür, dass man/ frau nicht alles machen kann, sondern auch auf göttliches Mitwirken setzen muss.

Foto: Michael Tress

Der Garten ist ja auch in der Bibel ein immer wieder gebrauchtes Bild für Gottes Wirken. Im ältesten Schöpfungsbericht (in unserer Bibel der zweite Gen 2, 4b-25) pflanzt Gott im Osten einen Garten, d.h. ein umzäuntes, geschütztes Gebiet als Lebensraum für den Menschen, den er „bebauen und hüten“ solle. Auch im Zweiten (oder Neuen) Testament wird der Garten als Bild für das Reich Gottes gebraucht. Insofern kann man die Tätigkeiten der Frauen durchaus als eine göttliche Handlung verstehen. Sie sind darin eben „Mitarbeiter Gottes“, wie es Paulus nennt (1 Kor 3, 9). Genauer: die Sorge dafür, dass Leben wachsen und gedeihen kann. Dass jede Pflanze den für sie geeigneten Platz hat. Dass jede ausreichend Licht bekommt. Dass sich Menschen daran freuen können, wie es wächst und blüht. Dass der Hoffnung Raum gegeben wird, wenn alles verwelkt und in die Winterpause geht. Dass neues Leben, Auferstehung sichtbar, spürbar, riechbar, schmeckbar wird.

Foto: Michael Tress

In den Augen meiner Gesprächspartnerinnen leuchtet es regelmäßig auf, wenn sie von „ihrem“ Garten erzählen. So wird auch für mich ihr Garten zum Erlebnis. Zur Verbindung zwischen zwei Menschen, zu einem Erlebnis von Beziehung und Verbundenheit. Noch mehr natürlich, wenn ich in einen anderen Garten eingeladen werde und wir betrachten, staunen, ins Gespräch kommen, im Garten etwas trinken…

So wird der Garten auch im Gemeinschaftsstiftenden zu einem Sinnbild für Gottes Wirken.

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