Zweite Woche
Ich stelle ein zweites Buch vor, das vermutlich unbekannt ist: das Buch Ester.
Es spielt zur Zeit der Perserregierung unter König Artaxerxes (465 – 423). Geschrieben wurde es etwa im 3. Jahrhundert v. Chr. Das Buch Ester gibt es in zwei verschiedenen Fassungen: einer hebräischen und einer erweiterten griechischen. In der hebräischen Fassung begegnet uns ein schweigender Gott, in der griechischen befindet sich Gott auch in der Auseinandersetzung mit fremden Göttern.
Artaxerxes war ein unglaublich machtbewusster König mit wahnsinnig viel Reichtum und Luxus, der seine Stellung zur Schau brachte. Aber er war auch ein bedrohter König – bedroht von Intrigen und Machtspielen. Solchen Machtspielen fiel seine erste Frau zum Opfer. Bei der Suche nach einer Nachfolgerin stieß er auf die junge Frau Ester und machte sie zur Königin. Sie war eine Jüdin, aber das wusste nur ihr Vater Mordechai, der ihr geraten hatte, darüber Stillschweigen zu bewahren. Denn die Juden lebten als unterdrücktes Volk im Perserreich.
Mordechai, Esters Vater, sollte nun ebenfalls einem Komplott zum Opfer fallen. Er hatte nämlich eine Verschwörung gegen König Artaxerxes aufgedeckt. Als Jude verweigertet Mordechai dem ranghöchsten Beamten die Huldigung (weil die nur Gott zustand). Daraufhin sollten alle Juden im Land vernichtet werden. Und jetzt kommt Ester ins Spiel:
Um das zu verhindern, fastete sie. Heute würden wir das als Hungerstreik bezeichnen. Sie rief auch alle anderen Juden im Land dazu auf, für sie und ihr Vorhaben zu fasten. Das Fasten wurde begleitet vom Gebet für Ester, die – um den König umzustimmen – gegen das Gesetz handeln würde und sich dem König ohne Erlaubnis nähern würde. Das erste Ergebnis dieses kollektiven Fastens und Betens war eine Ermutigung für Ester. Das zweite Ergebnis war, dass der Erlass vom König zurückgenommen wurde.
Das Fasten als Hungerstreik. Das kennen wir auch in unseren Tagen. Es ist ein sehr drastisches Mittel, um auf ein bestimmtes Anliegen hinzuweisen. Etwa für Gerechtigkeit gegenüber Menschen, die man von einer staatlichen Macht verfolgt sieht. Oder für die Erreichung von großen, übergeordneten Zielen, für die man kein anderes Mittel zur Verfügung sieht. Etwa den Klimawandel. Das Fasten steht hier also im Dienst eines höheren Wertes, sogar höher als das eigene Leben, das man mit dem Hungerstreik ja riskiert.
Manchmal solidarisieren sich andere Menschen mit dem Anliegen des Hungerstreikenden und fasten ebenfalls. Darin liegt für den Fastenden eine große Ermutigung und emotionale Unterstützung.
Der Impuls für die Fastenzeit heute:
- Welche Werte sind für Sie wichtig?
- Was setzen Sie dafür ein, um sie zu erreichen? Meistens geht es ja nicht darum, die eigene Existenz in die Waagschale zu werfen.
- Mit wem solidarisieren Sie sich, weil Sie dessen Anliegen teilen? Wem kommt Ihr Fasten zugute?