Vierte Fastenwoche
Das Buch Daniel ist in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts vor Christus entstanden. Damals standen die Juden unter der Regierung der griechischen Seleukiden, namentlich unter Antiochus III. Zunächst war er den Juden wohlgesonnen und gewährte ihnen eine ganz Reihe von Privilegien. Später jedoch musste er einen Krieg gegen die Römer finanzieren und nach seiner Niederlage hohe Tributzölle bezahlen. Damit begann die Unterdrückung der Juden, sie wurden auch in ihrer Religionsausübung beschnitten. Seine Nachfolger verschärften die Maßnahmen noch. So versteigerte Antiochus IV. das Amt des Hohepriesters in Jerusalem meistbietend. Dieses Amt war gekoppelt an das Amt des örtlichen Regierungsoberhauptes, man hatte also viel Macht. Diese Macht nutzte Antiochus IV. im Jahr 167, um die Juden zu unterdrücken – was wiederum Aufstände zur Folge hatte und weitere harte Maßnahmen seitens Antiochus IV., etwa die Todesstrafe für jede Form jüdischer Religionsausübung.
Dies ist der historische Hintergrund für das Danielbuch. Es beschreibt die Unterdrückung, aber auch in Visionen die Rettung des Volkes durch Gott. Darüber hinaus möchte es auch Hoffnung machen für alle Drangsale und Schwierigkeiten, die letztendlich eingeordnet werden in ein göttliches Handeln, das am Ende die Erlösung bringt. Damit gehört das Buch Daniel zur sog. „Apokalyptischen Literatur“.
Im Kap. 9 lesen wir eine solche Vision Daniels. Er betet und fastet in Sack und Asche und bekennt seine und Israels Schuld. An keiner einzigen Stelle verweist Daniel auf sein Fasten, um damit seine Bußfertigkeit zu unterstreichen. Das Fasten dient also nicht dazu, Gott gnädig zu stimmen und ihn dazu zu bringen, das Unheil zu beenden. Das Fasten unterstreicht vielmehr das Schuldbekenntnis, das Fasten drückt auf einer körperlichen Ebene die Traurigkeit über das eigene Fehlverhalten aus. Den Zusammenhang von Fasten und Trauer haben wir schon bei Hanna kennengelernt. Ähnlich macht es Hiob, als er in Sack und Asche seine Trauer, seinen Schmerz hinausschreit.
Bei Daniel wird aber noch ein weiterer Aspekt sichtbar, der mit Gebet, Trauer, Schuldbekenntnis und Fasten einhergeht. Nach seiner langen Rede von Vers 4 bis zum Vers 19 hat Daniel eine Vision. Er sieht und hört den Engel Gabriel, der ihm das Ende der Unterdrückung verkündet und ihm „ewige Gerechtigkeit“ (v 24) in Aussicht stellt. Der Umschwung wird nicht sofort kommen, er wird Zeit brauchen. Aber er wird kommen.
Gebet und Fasten eröffnen manchmal eine neue Perspektive. Eine Entwicklung wird erahnbar, ein Hoffnungsschimmer taucht auf. Vielleicht nicht in einer Engels- oder Gottesvision. Vielleicht erst einmal in der Sehnsuchtsform, noch unbestimmt, eher in der Form: „ich will, dass das jetzt aufhört!“
Und erst dann in einer sich konkretisierenden Vorstellung, einer Vision, wie ein Leben danach aussehen könnte. Das Fasten und Beten scheint hilfreich zu sein, sich auf das Wesentliche zu fokussieren. Auf das Lebensförderliche. Auf das Lebensdienliche. Auf den nächsten Schritt hin zu einem Mehr an Leben.