Betteln
Neulich habe ich eine Reportage der ARD-Nachrichtensprecherin Judith Rakers gesehen. Sie hat ausprobiert – für 30 Stunden – wie es ist, obdachlos zu sein. Sie hat das Leben und die Menschen auf der Platte kennen gelernt und auch, wie schwer es ist, zu betteln.
Ich erinnere mich vor einigen Jahren in Nürnberg. Ich war mit meinem Sohn und meinem Enkel unterwegs. Vor einem Kaufhaus hat ein Mann im mittleren Alter und im Anzug meinen Sohn angesprochen, ob er ihm nicht 50 Cent geben könne. Im Gespräch sagte der Mann, dass dies das erste Mal sei, dass er jemanden anbetteln müsse. Er sei arbeitslos geworden, seine Ersparnisse nun aufgebraucht. Eine neue Stelle nicht in Sicht. Er hat sich sichtlich geschämt für diese neue und erzwungene Erfahrung des Bettelns.
Betteln ist bei uns verpönt. Wir schauen manchmal mit Verachtung auf die Bettler in der Stadt und auf der Straße. Es sind Menschen, die oft das Notwendigste entbehren und das manchmal schon über einen längeren Zeitraum. So wirken sie oft verwahrlost und heruntergekommen.
Man bettelt in der Regel nicht um die luxuriösen Dinge des Lebens. Normalerweise bettelt man um das Lebensnotwendige, um das, was man für diesen Tag braucht. Wer bettelt, hat oft ein sicheres Gespür für das, was er entbehrt. Das ist oft Geld, manchmal aber auch mehr: ein Blick, ein Wort, Achtsamkeit. Judith Rakers stellte vor allem die Würde in den Vordergrund des Entbehrten und Erbettelten.
Die erste Seligpreisung im Matthäusevangelium (Mt 5) heißt wörtlich übersetzt: Selig, die um den Geist (Gott) betteln.
Im Advent ist es die richtige Zeit, Bettler um Gott zu werden. Zu spüren, wie sehr wir seiner Nähe und Gegenwart, seiner Anwesenheit in unserem Leben bedürfen. Wie sehr wir einen liebenden, menschenfreundlichen, gnädigen Gott brauchen.