Für die Impulse zur Fastenzeit 2020 nehme ich die alttestamentlichen Lesungen des diesjährigen Lesejahres A her.
Heute steht Abram im Fokus. Noch heißt er Abram – und nicht Abraham (das bedeutet „Vater der Völker“). Die erste große Wanderung hat er schon hinter sich: von Ur in Chaldäa (das ist in der Nähe des heutigen Bagdad) nach Haran im Norden des heutigen Irak. Das sind ca. 1000 km Luftlinie! (Zur Vergrößerung auf die Karte klicken!) Er hat auch schon eine erste religiöse Wandlung durchlaufen – weg von der Mondgöttin Nanna hin zu einer anderen Mondgöttin, Sin. Beide flankiert von einer Reihe anderer Götter.
Jetzt ist er ein Senior von 75 Jahren. In diesem „biblischen“ Alter spricht ein ihm unbekannter Gott zu ihm. Es soll also wieder eine Veränderung im Glauben, im Leben, in der Heimat des Abram geben. Diesmal ins völlig Ungewisse, ohne festes Ziel. „Nix Genaues weiß man nicht!“
Ich glaube, man kann sich diesen Schritt nicht radikal genug vorstellen. Hinein ins Unbekannte heißt auch: hinein in eine fremde Kultur, hinein in eine fremde Sprache, hinein in fremde Gewohnheiten und Bräuche, hinein in ein fremdes Rechtssystem, hinein in einen fremden Glauben …
Das Ganze ohne richtige Sicherheit, volles Risiko, nicht mal eine vernünftige Perspektive. Nur ein reichlich vages Versprechen: „Ich werde dich zu einem Segen machen.“
Die Senioren, die vor 75 Jahren Vertreibung und Flucht erlebt haben, können das (vielleicht) nachempfinden, wie es ist, ins Ungewisse zu gehen. Für mich, der ich nach dem Krieg geboren bin, scheint das eine ziemliche Zumutung zu sein.
Der Bibeltext steht aber fast am Anfang einer Zeit, der Fastenzeit, die zu Neubesinnung und Aufbruch motivieren will. Vielleicht gilt es ja, auch im Glauben „Neuland“ zu entdecken, heraus aus dem Überkommenen, Altbekannten. Volles Risiko, ohne altbekannte „Sicherheiten“, die doch nicht mehr taugen zur Bewältigung der lebenswichtigen Fragen – lediglich orientiert an der Heiligen Schrift und dem Hören auf die innere Stimme.