Advent 2022: 2. Adventswoche

Der Advent ist eine Sehnsuchtszeit. Sehnsucht nach einem vollkommenen Leben. Und zwar für alle, nicht individualistisch. Ich möchte für die Adventssonntage den Blick auf die großen Themen unserer Zeit legen und Impulse aus dem Glauben suchen.

2. Adventssonntag: Gerechtigkeit

Im Zuge der Pandemie ist es unübersehbar vor unser aller Augen: die Welt ist nicht gerecht. Die Schere zwischen Armen und Reichen öffnet sich immer mehr, viele Menschen in unserem Land erleben sich als abgehängt und abhängig. Abgehängt oder abhängig von Arbeitsplätzen, abgehängt oder abhängig von Informationen, abgehängt oder abhängig von Zuwendungen, abgehängt oder abhängig von sozialen Kontakten…. Andere, die (etwas) mehr auf der Sonnenseite leben, sind besorgt, ihren Status zu erhalten. Gerecht ist was anderes.

Vielleicht hilft hier ein Blick auf das biblische Verständnis von „Gerechtigkeit“. Das ist in der Bibel kein Begriff aus der Rechtsprechung. „Gerechtigkeit“ im Sinne des Ersten Testaments bedeutet, dass jeder so viel hat, dass er gut leben kann. Das umfasst nicht nur die materielle Grundlage, sondern auch die Gesundheitsfürsorge, den sozialen Zusammenhalt und auch die spirituelle Dimension. Die „Gerechtigkeit Gottes“ setzt sich dafür ein, dass wir Menschen solche Verhältnisse schaffen, in denen jede und jeder so viel hat, dass er gut leben kann. Dazu gibt es die vielen (und nicht nur die zehn) Gebote, die vor allem durch die Priesterschrift nach dem Exil in Babylon entstanden sind. Ausdrücklich wird dabei immer wieder auf die globale Geltung hingewiesen: bei der Gerechtigkeit geht es nicht nur darum, dass es dem Volk Israel gut geht, sondern um alle Menschen. Nötig ist also eine Veränderung des Blickwinkels, weg vom Eigenen, Nationalen – hin zum Globalen und Universalen. Gott wird laut und deutlich, mal mahnend, mal hinweisend, mal fordernd. Immer wieder wird so seine Gerechtigkeit zu dem Markenzeichen Gottes, zum Zentralbegriff der Bibel.

Heute sehen wir sehr viel weiter als vor 2000 – 3000 Jahren, als das Erste und das Zweite Testament entstanden sind. Wir sehen Menschen rund um die Welt, auch wenn sie im Amazonasgebiet oder im Hindukusch leben oder in Zentralchina. Wir sehen die Auswirkungen unseres Handelns und unseres Unterlassens für die Zukunft – für unsere Kinder und Enkelkinder. Gerechtigkeit im biblischen Sinne bekommt also eine sehr viel größere Dimension. Wir bekommen und haben eine sehr viel größere Verantwortung. Wir erleben, dass das den Einzelnen übersteigt und überfordert, wir sind als Gemeinschaft gefordert und gefragt. Und zwar bei uns (Stichwort: Armut, Geschlechtergerechtigkeit, Generationengerechigkeit) und auch weltweit (Stichwort: Kriege, Hungersnöte, Verteilungsgerechtigkeit) – über alle Grenzen politischer, wirtschaftlicher und auch religiöser Natur hinweg.

Aber Gott sagt uns diese Gerechtigkeit auch zu. Wir haben ihn, Gott, nicht nur als Ursprung und als Fordernden, sondern auch als Unterstützer. Das kann uns im Advent auch (wieder) bewusst werden, wie Gott mich und uns alle dabei unterstützt, für gerechte Verhältnisse zu sorgen.

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